Neue Rechtsformen bei Kollektivanlagen

Fondsin­dus­trie
Neue Rechts­for­men bei Kollektivanlagen

Auch in unser­er Fondsin­dus­trie gilt: Eine erfol­gre­iche Zukun­ft baut auf Inno­va­tion, ständi­ge Erneuerung und Fortschritt. Dabei spie­len reg­u­la­torische Rah­menbe­din­gun­gen eine nicht unwesentliche Rolle. Im Mit­telpunkt ste­hen zunächst die jew­eils ver­füg­baren Rechts­for­men, um neue Invest­ment-Ansätze auch effizient und zeit­nah real­isieren zu kön­nen. Die Wahl der rechtlichen Struk­tur inner­halb eines bes­timmten Fonds­dom­izils entschei­det über Erfolg oder Mis­ser­folg. Weshalb dem so ist und wovon dies abhängt, soll nach­fol­gend erörtert wer­den. Auf­sichts­be­hör­den sind ausser­dem ver­mehrt bere­it, zeit­gemässe und auf die tech­nol­o­gis­chen Möglichkeit­en abges­timmte reg­u­la­torische Bedin­gun­gen zu schaf­fen; die Zulas­sung von Reserved Alter­na­tive Invest­ment Funds (RAIF) und von Euro­pean Longterm Invest­ment Funds (ELTIF) in Lux­em­burg und das Pen­dant zum RAIF in der Schweiz, der so genan­nte Lim­it­ed Qual­i­fied Investor Fund (L‑QIF; in Vor­bere­itung), sind wichtige Meilen­steine auf dem Weg hin zu ein­er fortschrit­tlichen und kun­den­na­hen Fondswelt.

Hat­ten wir hierzu­lande im dama­li­gen Anlage­fonds­ge­setz noch bis Ende 2006 lediglich die Form des klas­sis­chen offe­nen, ver­traglichen Anlage­fonds, so erweit­erte das 2007 einge­führte Kollek­ti­van­la­genge­setz den Anwen­dungs­bere­ich in Anlehnung an die europäis­che und inter­na­tionale Reg­ulierung auch auf kör­per­schaftliche For­men wie SICAV, SICAF und KmGK. Mit der SICAF und der KmGK wur­den damals auch erst­mals geschlossene Rechts­for­men einge­führt. Betr­e­f­fend neuen Fond­skon­struk­tio­nen resp. Fond­srechts­for­men ist seit 2007 denn aber dies­bezüglich nicht mehr viel gegan­gen. Grosse Hoff­nun­gen set­zt die hiesige Fondsin­dus­trie deshalb auf den L‑QIF, überzeugt davon, dass sich ein Dom­izilplatz nicht zulet­zt auch über seine Inno­va­tion­skraft verkauft.

Für das nach­fol­gende Fachge­spräch stell­ten sich die fol­gen­den Experten zur Ver­fü­gung: Eugène Del Ciop­po [UBS Fond­sleitung], Patrick Moser [Ave­laLaw], Simon Schären [AMAS], Andreea Ste­fanes­cu [Solu­fonds] und Ralph Warth [CS Funds].

Bei Fondsgründungen kommt nach der Wahl des Domizils sogleich die Frage nach der geeigneten Rechtsform resp. rechtlichen Fondskonstruktion. Wovon hängt dies ab? Was sind die Beweggründe?

Del Ciop­po: Es sind mehrheitlich nach­fol­gende Über­legun­gen, welche wir im Rah­men eines Struk­turierung­sprozess­es in der Zusam­me­nar­beit mit unseren White Label-Kun­den the­ma­tisieren: das Dom­izil, die Art der Investi­tio­nen, die Inve­store­nart – vor­ab ihr Dom­izil – und mögliche Ver­trieb­saspek­te. Betr­e­f­fend Fonds­dom­izil ist die entschei­den­den Frage Schweiz oder europäis­ches Aus­land. Eine Schweiz­er Lösung ist weit­er­hin fast auss­chliesslich für rein inländisch ori­en­tierte Anbi­eter respek­tive Inve­storen attrak­tiv. Sobald aus­ländis­che Inve­storen zumin­d­est erwägt wer­den, ist ins­beson­dere aus Steuer- und Ver­trieb­süber­legun­gen eine europäis­che Struk­tur angezeigt. Bezüglich der Rechts­form bieten sowohl die Schweiz als auch die führen­den europäis­chen Fonds­stan­dorte eine bre­ite Palette an Möglichkeit­en. Auch hier­für gilt es zusam­men mit dem Fondspart­ner in enger Zusam­me­nar­beit die beste Lösung zu eruieren.

Schären: Aus­gangspunkt bilden vielfach steuer­liche Beweg­gründe. Die Rechts­form kann einen Ein­fluss auf den steuer­lichen Sta­tus eines Vehikels und sein­er Anleger haben. Ausser­dem unter­schei­den sich die reg­u­la­torischen Anlagevorschriften mitunter auch nach der gewählten Rechts­form. Diese Fak­toren müssen bei der Wahl der geeigneten Struk­tur berück­sichtigt werden.

Ste­fanes­cu: Die Wahl der rechtlichen Struk­tur inner­halb eines bes­timmten Fonds­dom­izils ist eine der entschei­den­den Fra­gen, welche es im Vor­feld der Auf­set­zung eines Anlage­fonds zu beant­worten gilt. Let­ztlich gilt es mit dieser sicherzustellen, dass der Invest­ment Man­ag­er bzw. Pro­mot­er die ide­ale Hülle mit den adäquat­en rechtlichen Vor­gaben erhält, um ein­er­seits seine Invest­men­tidee adäquat umset­zen zu kön­nen, während gle­ichzeit­ig gewährleis­tet wer­den muss, dass der Fonds auch den gewün­scht­en Zielin­ve­storen zur Ver­fü­gung gestellt wer­den kann.

Warth: Mit der Wahl des Dom­izils wird von Seit­en des Fonds-Spon­sors – also des Ini­tia­tors eines Pri­vate Label Funds – bere­its ein Entscheid über mögliche Ver­trieb­slän­der und Effizien­zop­tio­nen des Fonds gefällt. Im Rah­men von Schweiz­er Fonds hängt die Wahl der opti­malen Rechts­form von Kun­denbedürfnis­sen wie der Anlages­trate­gie und ‑umset­zung, anvisierten Schweiz­er Inve­storen – etwa Retail- Inve­storen – und der Art der Ein­flussnahme des Fonds-Spon­sors auf die Fondsstruk­tur ab. Die Fondssta­tis­tik bestätigt die Präferenz von Schweiz­er Fonds-Spon­soren für den ver­tragsrechtlichen Fonds – par­tiell aus his­torischen Grün­den, aber sicher­lich auch aus Über­legun­gen der Ein­fach­heit und der oper­a­tiv­en Effizienz. So übern­immt die Fond­sleitung im Rah­men eines ver­traglichen Fonds die gov­er­nale Funk­tion und somit die Ver­ant­wor­tung für Risiko­man­age­ment, Legal und Com­pli­ance. Zugle­ich ist sie Ansprech­part­ner­in der Eid­genös­sis­chen Finanz­mark­tauf­sicht FIN­MA, des Revi­sors und der Inve­storen. Diese umfassende Dien­stleis­tung wird im Rah­men ein­er SICAV zumin­d­est haf­tungsrechtlich auf mehrere Ser­vice-Anbi­eter verteilt, da es sich hier­bei um eine eigene Kör­per­schaft mit einem Ver­wal­tungsrat sowie weit­eren Anforderun­gen an die Organ­i­sa­tion und Kap­i­tal­isierung han­delt. Unsere insti­tu­tionellen Kun­den bevorzu­gen im Wertschriften­bere­ich klar ein Out­sourc­ing-Mod­ell im Sinne des ver­tragsrechtlichen Fonds. 

Moser: Hier noch eine kurze Mark­tüber­sicht zur Schweiz: Für Wertschriften­fonds und tra­di­tionelle Anlageklassen ist der ver­tragliche Anlage­fonds in der Schweiz das Stan­dard­pro­dukt, da er am bil­lig­sten ist und am schnell­sten aufge­set­zt wer­den kann – im so genan­nten «Fast-Track»-Verfahren in der Regel innert weniger Arbeit­stage. Die SICAV ist dage­gen wesentlich aufwendi­ger in der Auf­set­zung und im Unter­halt: Man muss für den Ver­wal­tungsrat Gewährsträger find­en und bewil­li­gen lassen sowie eine Bewil­li­gungsvor­prü­fung durch eine unab­hängige Prüf­stelle vornehmen lassen. Zudem braucht es eine Min­destein­lage und Eigen­mit­te­lan­forderun­gen sind auch auf der Pro­duk­tebene zu beacht­en. Für materielle Änderun­gen des Anlagere­gle­ments muss jedes Mal eine Gen­er­alver­samm­lung ein­berufen wer­den. Geeignet ist eine SICAV an sich nur für Wohn­im­mo­bilien­fonds, wenn bei einem ver­traglichen Fonds nicht sichergestellt wer­den kann, dass die Fond­sleitung im Sinne der Lex Koller schweiz­erisch beherrscht ist. Für andere alter­na­tive Anlageklassen bietet sich wiederum der ver­tragliche Anlage­fonds an oder, bei illiq­uiden Anla­gen etwa für Risikokap­i­tal oder Infra­struk­tur, die geschlossene Kom­man­dit­ge­sellschaft für kollek­tive Kap­i­ta­lan­la­gen. Diese ist aber nur qual­i­fizierten Anlegern zugänglich und weist eine zeitlich beschränk­te Laufzeit auf. Invest­ment­ge­sellschaften mit fes­tem Kap­i­tal – so genan­nte SICAFs – hinge­gen will nie­mand auflegen.

Verschiedene Domizilstandorte heisst auch unterschiedliche Rechtsformen: Wie unterscheidet sich diesbezüglich Luxemburg von der Schweiz?

Warth: Lux­em­burg bietet als wichtig­stes europäis­ches Fonds­dom­izil neben umfassenderen Ver­trieb­smöglichkeit­en im Rah­men von SICAV auch unter­schiedliche Recht­skon­struk­te an. So sind die Fonds für den Retail-Ver­trieb oft als Société Anonyme, also Aktienge­sellschaften aufge­set­zt, während sie für «well-informed investors » als SCA – sprich: GmbH – oder sog­ar als Part­ner­ship – sei es SCS oder SCSp – mit einem unbe­gren­zt haf­ten­den Kom­ple­men­tär und bis zu ihrer Anlagezusage haf­ten­den Kom­man­ditären konzip­iert sind. Die let­zten zwei Rechtsstruk­turen wer­den auf­grund ihrer flex­i­blen Aus­gestal­tungsmöglichkeit­en von Fonds-Spon­soren oft im Rah­men von illiq­uiden direk­ten oder indi­rek­ten Anla­gen wie Pri­vate Equi­ty oder Pri­vate Debt sowie Infra­struk­tur- und Immo­bilien­an­la­gen gewählt. In der Schweiz ste­ht uns dieses Kon­strukt auss­chliesslich im Rah­men der Kom­man­dit­ge­sellschaft für kollek­tive Kap­i­ta­lan­la­gen und somit als geschlossenes Anlageve­hikel zur Ver­fü­gung. Eine ver­gle­ich­bare Umset­zung als halb-offene Fonds ist im Schweiz­er Fond­srecht zurzeit nicht vorgesehen.

Schären: Lux­em­burg hat tra­di­tionell eine kom­plexere Reg­ulierung als die Schweiz und stellt mehr Rechts­for­men und Gestal­tung­sop­tio­nen zur Ver­fü­gung. Ausser­dem ist Lux­em­burg in der EU, so dass sich im Bere­ich der Ver­wal­tung, der Ver­wahrung und beim Ver­trieb union­sweite Tätigkeit­sop­tio­nen eröff­nen – ins­beson­dere über das so genan­nte Pass­port­ing. Del Ciop­po: Lux­em­burg ver­fügt über eine Vielzahl an Struk­turen und Arten, die jew­eils auf die Anlageklasse, den Anlegerkreis und allfäl­lige Steuer­im­p­lika­tio­nen aus­gerichtet sind. Auf­fäl­lig ist, dass im Ver­gle­ich zur Schweiz viel weniger Fonds Com­mun de Place­ment – so genan­nte FCPs, also Kollek­ti­van­la­gen in rein ver­traglich­er Form – aufge­set­zt wer­den und wir in der Schweiz trotz der beste­hen­den Möglichkeit­en immer noch weit­ge­hend ein «FCP-Markt» sind.

Rückblick Schweiz: Wie fing alles an, woher kommen wir? Ursprünglich waren es hierzulande alles nur offene und vertragliche Rechtsformen. Was änderte sich ab 2007?

Schären: Wie ange­merkt, regelte das frühere Anlage­fonds­ge­setz AFG einzig den ver­traglichen Anlage­fonds. Das Kollek­ti­van­la­genge­setz KAG ab 2007 erweit­erte den Anwen­dungs­bere­ich in Anlehnung an die europäis­che und inter­na­tionale Reg­ulierung auch auf kör­per­schaftliche For­men – SICAV, SICAF und KmGK. Mit der SICAF und der KmGK wur­den auch geschlossene Rechts­for­men eingeführt.

Ste­fanes­cu: Die Etablierung weit­er­er Struk­turierungsmöglichkeit­en wie SICAV, SICAF sowie KmGK haben unseren Schweiz­er Fonds­markt tat­säch­lich einen grossen Schritt vor­wärts­ge­bracht. Den­noch: Manche der neuen Rechts­for­men fris­ten in der Schweiz im europäis­chen Ver­gle­ich bish­er eher ein Schat­ten­da­sein. Mit der Ein­führung des L‑QIF, welche in der zweit­en Jahreshälfte 2023 endlich in die Tat umge­set­zt wer­den sollte, verbinden wir grosse Hoff­nun­gen, unseren Kun­den dann eine flex­i­ble, mit ein­er schnellen Time-to-Mar­ket aus­ges­tat­ten Struk­tur anbi­eten zu kön­nen. Dies­bezüglich sind wir bere­its vor­bere­it­et, um Kun­den auf diesem Weg zu begleiten.

Wie sieht die Entwicklung in der Schweiz heute aus? Da ist wie eben angedeutet zunächst ein L‑QIF, ein Limited Qualified Investor Fund, in Vorbereitung. Um was geht es dabei und wofür soll er geschaffen werden?

Ste­fanes­cu: Die Grun­didee dieser neuen Fondsstruk­tur mit der Abkürzung L‑QIF beste­ht darin, eine flex­i­ble und konkur­ren­zfähige kollek­tive Kap­i­ta­lan­lage nach Schweiz­er Recht zur Ver­fü­gung zu stellen, äquiv­a­lent zum Reserved Alter­na­tive Invest­ment Fund RAIF, welch­er in Lux­em­burg 2016 erfol­gre­ich lanciert wurde. Damit kann der Schweiz­er Finanz­platz die momen­tan noch vorhan­dene Pro­duk­tlücke zum Fond­splatz Lux­em­burg wieder schliessen. Der L‑QIF soll somit Arbeit­splätze, Wertschöp­fung und Steuer­sub­strat zurück in die Schweiz holen und den Finanz­platz weit­er stärken. Wie es zudem der Name schon sagt, ste­ht ein L‑QIF nur qual­i­fizierten Inve­storen offen.

Welches sind die Begriffsmerkmale dieser neuartigen Fondskonstruktion?

Ste­fanes­cu: Beim L‑QIF han­delt es sich um eine neue Fond­skat­e­gorie ana­log schon existieren­der Fondsstruk­turen. Ein L‑QIF kann sowohl als offene als auch als geschlossene kollek­tive Kap­i­ta­lan­lage aufgelegt wer­den. Das Anlage­u­ni­ver­sum soll flex­i­bel sein und den Inve­storen grösst­mögliche Auswahl betr­e­f­fend der geforderten Anlager­e­strik­tio­nen bieten. Die Details wer­den momen­tan auf Stufe der Verord­nun­gen definiert. Zudem kon­nte eine steuer­liche Einord­nung als Schweiz­er Fonds gewährleis­tet wer­den, wom­it als zen­trales Ele­ment die Gle­ich­be­hand­lung des L‑QIF mit den schon existieren­den Fondsstruk­turen sichergestellt wer­den kann. Durch die indi­rek­te Auf­sicht des Ver­mö­gensver­wal­ters und der Fond­sleitung, welche bei­de im Falle eines L‑QIFs zwin­gend ein FIN­MA-überwacht­es Insti­tut sein müssen, wird den­noch dem Kun­den­schutzbedürf­nis qual­i­fiziert­er Anlegerin­nen und Anleger angemessen Rech­nung getragen.

Schären: Ein L‑QIF ste­ht in der Tat nur qual­i­fizierten Anlegern offen. Er ver­fügt wed­er über eine Bewil­li­gung noch über eine Genehmi­gung der FIN­MA. Ausser­dem müssen die beson­deren Vor­gaben über die Ver­wal­tung des L‑QIF einge­hal­ten wer­den – also zwin­gende Ver­wal­tung durch eine Fond­sleitung, SICAV oder KmGK.

Warth: Zusam­men­fassend ist der gesamte Lancierung­sprozess rasch­er und begün­stigt damit beson­ders Fonds mit einem Fokus auf alter­na­tive Anla­gen wie Immo­bilien, Pri­vate Equi­ty oder Pri­vate Debt, bei denen der Genehmi­gung­sprozess bis anhin jew­eils lange dauerte.

Welches sind die Vorteile und von welchen Erleichterungen profitiert dieses neue Fondsvehikel?

Moser: Mit dem Weg­fall der Bewil­li­gungs­bzw. Genehmi­gungspflicht ent­fällt für den L‑QIF das Gesuch an die FIN­MA. Im Bere­ich der nicht-tra­di­tionellen Anla­gen ziehen sich solche Gesuche manch­mal über Wochen bis Monate hin, was beim L‑QIF nun eben ent­fällt; das Pro­dukt ist somit viel schneller auf dem Markt. Eben­so ent­fall­en beim L‑QIF die Anlagevorschriften von Art. 53–71 KAG und Art. 103 KAG. Es sind also the­o­retisch auch Fonds mit Anla­gen möglich, welche die FIN­MA unseres Wis­sens bis­lang nicht zuge­lassen hat, etwa Wein, Old­timer, Kun­st etc., dies solange eine angemessene Liq­uid­ität sichergestellt ist – Stich­wort: neuer Art. 78a KAG. Der Art. 118d KAG enthält daneben eine lange Liste von Bes­tim­mungen, die der FIN­MA eine Einzelfal­l­entschei­dungs- oder Auf­sicht­skom­pe­tenz ein­räu­men, und welche auf den L‑QIF nicht anwend­bar sind.

Warth: Die gle­ich­w­er­tige rechtliche Akzep­tanz des L‑QIF als Schweiz­er Fonds gepaart mit dem Weg­fall der Vor­gaben bezüglich möglich­er Anla­gen oder der Risikoverteilung ermöglicht höhere Flex­i­bil­ität beim Port­fo­lio-Auf­bau. So kön­nen beispiel­sweise mehrere tra­di­tionelle und/oder alter­na­tive Anlageklassen kom­biniert oder Fonds mit konzen­tri­erten Port­fo­lios lanciert werden.

Del Ciop­po: Der L‑QIF ist ana­log dem Lux­em­burg­er RAIF ein indi­rekt beauf­sichtigter Fonds, was grund­sät­zlich eine höhere Lancierungs­geschwindigkeit erlaubt. Weit­ere Vere­in­fachun­gen beste­hen im Falle von Änderun­gen resp. Anpas­sun­gen nach ein­er Lancierung. Der zweite wesentliche Vorteil ist der grosse Spiel­raum bezüglich Diver­si­fika­tionsvorschriften in den Anlagerichtlin­ien. Ent­ge­gen der immer wieder gemacht­en Aus­sage, dass der L‑QIF gün­stiger sei als ein nor­maler Fonds, sehen wir keine direk­ten Kosten­vorteile. Indi­rekt kann die beschle­u­nigte Lancierung allen­falls Oppor­tu­nität­skosten wettmachen, wenn man eine Investi­tion inner­halb kurz­er Frist aus­führen kann und nicht auf eine FIN­MA-Bewil­li­gung warten muss.

Offenbar gibt es auch Vereinfachungen im Rahmen von Änderungen resp. Anpassungen nach einer Lancierung. Welche sind das notabene – welche Vereinfachungen bei welcher Art von Anpassungen?

Del Ciop­po: Die reg­u­la­torischen Vere­in­fachun­gen beziehen sich haupt­säch­lich auf die flex­i­ble Hand­habung von sit­u­a­tiv­en Anpas­sun­gen der Anlagerichtlin­ien und der davon abgeleit­eten erhöht­en Time­to- Market.

Schären: Eben wurde auch gesagt, dass der L‑QIF ein indi­rekt beauf­sichtigter Fonds sei. Lassen Sie mich das noch genauer aus­führen: Konkret heisst das, dass hier­für wed­er eine Bewil­li­gung noch eine Genehmi­gung durch die FIN­MA vor­liegen muss. Tat­säch­lich kann ein solch­er L‑QIF auf­grund dieser auf­sicht­srechtlichen Erle­ichterun­gen wesentlich schneller real­isiert wer­den. Bloss die admin­is­tra­tive Ver­wal­tung und das Port­fo­lio- resp. das Asset Man­age­ment muss durch ein bewil­ligtes Insti­tut erfol­gen. L‑QIF in der Form von ver­traglichen Anlage­fonds müssen grund­sät­zlich durch eine Fond­sleitung ver­wal­tet wer­den. L‑QIF in der Form ein­er SICAV müssen die Admin­is­tra­tion und die Anlageentschei­de ein und der­sel­ben Fond­sleitung über­tra­gen. Falls ein L‑QIF als KmGK aus­gestal­tet ist, muss die Geschäfts­führung einem Ver­wal­ter von Kollek­tivver­mö­gen gemäss FINIG über­tra­gen wer­den. Das Gesetz erlaubt ausser­dem auch eine Wei­t­er­del­e­ga­tion gewiss­er Tätigkeiten.

Für welche Anlageausrichtungen respektive für welche Arten von Anlageinstrumenten soll er speziell geeignet sein?

Moser: Auf­grund der Nich­tan­wend­barkeit der Anlagevorschriften von Art. 53– 71 KAG und Art. 103 KAG eignet sich der L‑QIF für alle möglichen Anlage­poli­tiken bzw. ‑instru­mente. Das reicht von ganz tra­di­tionellen, effek­ten­fonds-ähn­lichen Vehikeln bis hin zu Fonds, die in hochspezial­isierte oder unübliche Anla­gen investieren. Ins­beson­dere sind auch Mis­chfor­men möglich, was es bis­lang erst im Bere­ich der KmGK gegeben hatte.

Ste­fanes­cu: Obwohl der L‑QIF für jegliche Anlageklassen qual­i­fiziert, konkur­ren­ziert er wenig mit den beste­hen­den Fondsstruk­turen und soll in erster Lin­ie Investi­tio­nen in inno­v­a­tive, neue Anlageklassen erlauben – etwa Pri­vate Equi­ty, Ven­ture Cap­i­tal, aber auch Infra­struk­tur sowie andere exo­tis­che Anlageklassen wie Kryp­towährun­gen, etc.

Schären: Vor dem Hin­ter­grund, dass die Ziel­gruppe lediglich qual­i­fizierte Anleger umfasst, han­delt es sich von der Anlageaus­rich­tung her im Wesentlichen um alter­na­tive Anla­gen. Die Ein­schränkung auf qual­i­fizierte Anleger ist allerd­ings auch auf die fehlende Pro­duk­tauf­sicht zurück­zuführen und nicht nur auf den Anlagehorizont.

Warth: Warth: Zu den genan­nten Mis­chfor­men noch fol­gen­des: Aus unser­er Sicht stellt die flex­i­ble und umfassende Umset­zungsmöglichkeit im Rah­men ein­er holis­tis­chen Anlages­trate­gie den grossen Mehrw­ert des L‑QIF dar. So kön­nen klas­sis­che Wertschriften und Anlage­fonds genau­so Teil des Fonds sein wie auch alter­na­tive Anla­gen und – neu im Schweiz­er Fonds-Set­up – sog­ar «Pas­sion Invest­ments», also Lieb­haber­an­la­gen. Voraus­set­zung: Diese sind bew­ert­bar und es beste­ht genü­gend Rück­nah­meliq­uid­ität. Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass bei Inkraft­treten des L‑QIF bere­its reine «Pas­sion Invest­ment »-Fonds lanciert wer­den. Der Fokus wird primär auf klas­sis­chen Anlages­trate­gien und ‑instru­menten liegen. Erste Gespräche mit Mark­t­teil­nehmern bestäti­gen unsere Annahme.

Nur rasch zum formellen Einordnen: Ist der L‑QIF formaljuristisch eine neue Rechtsform oder eine ganz neue Fondskonstruktion, welche in diverse verfügbare Rechtsformen gehüllt werden kann?

Moser: Mit dem L‑QIF wird keine neue Rechts­form geschaf­fen, auch nicht eine neue Fond­skon­struk­tion, son­dern eher eine zusät­zliche Fonds-«Art», ähn­lich den beste­hen­den geset­zlich geregel­ten Arten – also Effek­ten­fonds, übrige Fonds für tra­di­tionelle Anla­gen bzw. für alter­na­tive Anla­gen, Immo­bilien­fonds –, welche ana­log zum L‑QIF eben­falls in ver­schiede­nen Recht­sklei­dern aufgelegt wer­den kön­nen. Das zeigt sich auch daran, dass ein L‑QIF eben nicht eine der erwäh­n­ten Fond­sarten­beze­ich­nun­gen tra­gen darf.

Schären: Ein L‑QIF kann nur eine im KAG geregelte Rechts­form aufweisen. Insoweit ist der L‑QIF konzep­tionell tat­säch­lich keine neue Rechts­form, son­dern baut auf den beste­hen­den Konzepten des KAG auf.

Welches wären dazu die geeigneteren Rechtsformen hierzulande, welche weniger – aus welchen Gründen?

Del Ciop­po: Der L‑QIF kann sowohl als ver­traglich­er Fonds als auch als Fonds mit eigen­er Rechtsper­sön­lichkeit als SICAV oder KmGK lanciert wer­den. Auf­grund der höheren Flex­i­bil­ität in der Aus­gestal­tung der Anlagerichtlin­ien eignet sich das Pro­dukt nur für qual­i­fizierte Anleger, welche die damit ver­bun­de­nen Risiken oder Liq­uid­ität­sen­g­pässe ver­ste­hen und verkraften können.

Schären: Der L‑QIF kann wie gesagt grund­sät­zlich in allen etablierten Rechts­for­men des KAG aufge­set­zt wer­den. Allerd­ings kommt die SICAF aus konzep­tionellen Grün­den nicht in Frage und ist daher keine mögliche Basis für einen L‑QIF.

Weshalb ist das so?

Moser: Als Gefäss des offe­nen Typs kann ein L‑QIF in der Rechts­form eines ver­traglichen Anlage­fonds oder ein­er SICAV aufge­set­zt wer­den. Als geschlossen­er Fonds gibt es hinge­gen nur die Kom­man­dit­ge­sellschaft für kollek­tive Kap­i­ta­lan­la­gen und nicht auch die SICAF. Der Grund hier­für ist, dass eine SICAF, wenn sich an ihr nur qual­i­fizierte Anleger beteili­gen kön­nen und ihre Aktien auf den Namen laut­en – Inhab­er­ak­tien wur­den ja de fac­to abgeschafft – gar nicht mehr als kollek­tive Kap­i­ta­lan­lage gilt. Ich ver­weise auf Art. 2 Abs. 3 KAG.

Gibt es Sondervorschriften resp. ‑bestimmungen für Immobilienanlagen?

Ste­fanes­cu: Dur­chaus. Ähn­lich wie im Fall eines Immo­bilien­fonds nach KAG sind gewisse spez­i­fis­che Anforderun­gen für Immo­bilien­an­la­gen einzuhal­ten. Ein L‑QIF etwa muss einen unab­hängi­gen Schätzung­sex­perten beauf­tra­gen. Es beste­ht ein Ver­bot für Transak­tio­nen mit nah­este­hen­den Per­so­n­en, wobei die Details hin­sichtlich möglich­er Aus­nah­megenehmi­gun­gen momen­tan auf der Verord­nungsstufe geregelt wer­den. Zudem wird wiederum eine max­i­male Verpfän­dung der Grund­stücke einzuhal­ten sein, wobei die max­i­male Höhe eben­falls noch auf Stufe der Kollek­ti­van­lageverord­nung berat­en wird.

Schären: In Art. 118p KAG sind Son­der­vorschriften für Immo­bilien-L-QIF enthal­ten. Diese ori­en­tieren sich aber weit­ge­hend an den Vorschriften über Immo­bilien­fonds. Die Bes­tim­mungen gemäss Art. 63 Abs. 1–3 KAG gel­ten sin­ngemäss – ich denke unter anderem an das Über­nah­me­und Abtre­tungsver­bot. Die Anforderun­gen an die Schätzung­sex­perten gel­ten bei L‑QIF eben­falls. Der Bun­desrat wird diese Bes­tim­mungen auf dem Verord­nungsweg noch konkretisieren.

Ste­fanes­cu: Auf­grund der Befürch­tung, dass der L‑QIF von ver­mö­gen­den Pri­vat­per­so­n­en dazu genutzt wer­den kön­nte, im Bere­ich der direk­ten Immo­bilien­an­la­gen Steuern zu opti­mieren, wurde die Geset­zesvor­lage während der par­la­men­tarischen Kon­sul­ta­tion in dem Sinne angepasst, dass ein in direk­ten Immo­bilien­an­la­gen investieren­der L‑QIF nur pro­fes­sionellen Anlegern gemäss dem Finanz­di­en­stleis­tungs­ge­setz FID­LEG zur Ver­fü­gung ste­ht, das heisst Banken, Ver­sicherun­gen, Pen­sion­skassen, grossen Unternehmen, etc…

Moser: Bei L‑QIF, welche Direk­tan­la­gen in Immo­bilien täti­gen, wird der Anlegerkreis wie aus­ge­führt zusät­zlich eingeengt. Die qual­i­fizierten Anleger, welche in solche Immo­bilien-L-QIF investieren, müssen zusät­zlich so genan­nte «per se» pro­fes­sionelle Kun­den nach Art. 4/3/a–h FID­LEG sein. Wer kann fol­glich nicht in solche L‑QIF mit Direk­tan­la­gen in Immo­bilien investieren? Das sind Fam­i­ly Offices – Art. 4/3/i FID­LEG – und Kun­den, die durch eine Opt­ing-out Erk­lärung zu pro­fes­sionellen Kun­den gewor­den sind sowie qual­i­fizierte Anleger nach Art. 10/3ter KAG, also Ver­mö­gensver­wal­tungs- und Anlage­ber­atungskun­den. Dazu enthält Art. 118p KAG Son­der­vorschriften für L‑QIF mit Immo­bilien­an­la­gen: Es gilt Art. 63/1–3 KAG – Haf­tungsvorschriften; Geschäfte unter Nah­este­hen­den – sin­ngemäss. Weit­er müssen L‑QIF mit Immo­bilien­an­la­gen auch unab­hängige Schätzung­sex­perten beauftragen.

Wie schätzen Sie die Zukunft des L‑QIF ein?

Warth: Die Zukun­ft des L‑QIF kann wohl anhand des enor­men Erfol­gs des Lux­em­burg­er RAIF erah­nt wer­den. So lancieren wir als Lux­em­burg­er AIFM mit­tler­weile sig­nifikant mehr RAIFs denn SIFs, also von der Finanz­mark­tauf­sicht genehmigte und überwachte Anlage­fonds für den Ver­trieb an «well-informed investors». Wenig über­raschend sehen wir merk­liche Vorteile im L‑QIF und eine erhe­bliche Verbesserung gegenüber dem Sta­tus Quo. Dies gilt ins­beson­dere für Anleger mit konzen­tri­erten oder gemis­cht­en Port­fo­lios, welche sie in eine Schweiz­er Struk­tur ein­brin­gen wollen.

Del Ciop­po: Der L‑QIF wird dem Schweiz­er Fonds­stan­dort zweifel­los einen Wach­s­tumss­chub ver­schaf­fen, indem Ver­mö­genswerte, welche im Aus­land liegen, wieder in die Schweiz zurück­ge­bracht wer­den. Ausser­dem wer­den wir Kon­vertierun­gen von so genan­nten Übri­gen Fonds in L‑QIF-Struk­turen sehen, ins­beson­dere bei Einanlegerfonds.

Moser: Für neu aufzule­gende Fonds für qual­i­fizierte Anleger ist der L‑QIF sich­er eine attrak­tive Form, ins­beson­dere dort, wo das «Time-to-Market»-Element und/ oder die erweit­erten Anlagemöglichkeit­en im Vorder­grund ste­hen. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass kon­ser­v­a­tiv aus­gerichtete Anleger, zum Beispiel Vor­sorgeein­rich­tun­gen, aus Sicher­heit­süber­legun­gen nach wie vor eine beauf­sichtigte Fondsstruk­tur bevorzu­gen. Ob sich Anlagegelder, die in aus­ländis­chen Struk­turen wie dem Lux­em­burg­er RAIF angelegt sind, in die Schweiz zurück­holen lassen, wird die Zukun­ft weisen. Sofern die Stem­pel­s­teuer beste­hen bleibt und die L‑QIF steuer­lich gle­ich­be­han­delt wer­den wie die übri­gen kollek­tiv­en Kap­i­ta­lan­la­gen – davon ist derzeit auszuge­hen –, beste­hen hier dur­chaus Chan­cen, zumin­d­est bei offe­nen Gefässen.

Ste­fanes­cu: Wir gehen davon aus, dass der L‑QIF auf­grund sein­er indi­rek­ten Überwachung und der damit ein­herge­hen­den schnellen Time-to-Mar­ket sowie in Bezug auf die vielfälti­gen Anlagemöglichkeit­en umfan­gre­ich einge­set­zt wer­den kann und wird. Die Struk­tur erfordert allerd­ings sehr starke Part­ner wie eine kom­pe­tente Fond­sleitung und Depot­bank. Die zahlre­ichen Anfra­gen, welche wir bere­its jet­zt im Vor­feld erhal­ten, zeigen uns zudem, dass dieser Struk­tur eine erfol­gre­iche Zukun­ft beschieden sein dürfte. Schären: Das denke ich auch. Der L‑QIF kön­nte sich in der Schweiz dur­chaus zum Erfol­gskonzept entwick­eln. Entschei­dend wird in diesem Zusam­men­hang auch sein, ob das L‑QIF-Mod­ell bei qual­i­fizierten Anlegern auf Anklang stösst. Jeden­falls müssen qual­i­fizierte Anleger mit einem starken Bezug zur Schweiz nicht mehr auf ver­gle­ich­bare aus­ländis­che Pro­duk­te ausweichen.

Gibt es Ansätze für weitere Innovationen in der Schweiz – etwa betreffend Rechtsformen, Fondsarten, Fondskonstruktionen, Fondsstrukturen etc.?

Schären: Das Poten­zial der Blockchain kon­nte sich im Kollek­ti­van­la­gen­recht bis­lang noch nicht vol­lum­fänglich ent­fal­ten. Daher gibt es aktuell ver­schiedene recht­spoli­tis­che Bestre­bun­gen zur Dig­i­tal­isierung des KAG und ver­wandter Rechts­ge­bi­ete. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern das etablierte reg­u­la­torische Konzept des KAG hier­für ein Hin­der­nis darstellt.

Rechtsform resp. Fondskonstruktion und Technologie – zwei zentrale Drehund Angelpunkte für die Zukunft der Kollektivanlage. Soeben fiel auch der Begriff Blockchain. Welchen Einfluss auf Rechtsformen und Fondsarten nach KAG werden all die neuen technologischen Errungenschaften im Bereich der Digitalisierung und Tokenisierung möglicherweise haben?

Schären: Die Blockchain-Tech­nolo­gie und andere Inno­va­tio­nen ermöglichen im Invest­ment- Bere­ich neue Geschäftsmod­elle. Zunächst erweit­ert sich das Anlage­u­ni­ver­sum, da kollek­tive Kap­i­ta­lan­la­gen neu auch in Kryp­to-Ver­mö­genswerte investieren kön­nen. Ausser­dem gibt es Ansätze, die Fondsin­fra­struk­tur und bes­timmte Funk­tio­nen in die Blockchain zu inte­gri­eren und mit so genan­nten «smart con­tracts » abzu­bilden. Hier­bei han­delt es sich im Wesentlichen um Com­put­er­pro­tokolle. Die neuen Geschäftsmod­elle bewe­gen sich zum Teil ausser­halb des Gel­tungs­bere­ichs des KAG, bedi­enen sich in gewis­sen Kon­stel­la­tio­nen aber auch tra­di­tioneller reg­u­la­torisch­er Gefässe und Rechts­for­men. Hier wird sich die Frage stellen, inwiefern die reg­u­la­torische Konzep­tion des KAG noch zeit­gemäss ist.

Die Themen «Rechtsform resp. Fondskonstruktion » und «Technologieentwicklung » spielen einander also vermehrt in die Hände. Können Sie das noch weiter ausführen?

Warth: Das dis­rup­tive Ele­ment der Blockchain- basierten Tokenisierung ermöglicht eine unab­hängige Bew­er­tung von illiq­uiden Anla­gen wie Dar­lehen, Pri­vate Equi­ty, Infra­struk­tur oder Pro­jek­ten in höher­er Fre­quenz zu tief­er­en Geste­hungskosten. Dies wird sich unseres Eracht­ens pos­i­tiv auf die Fond­skon­struk­tion im Sinne ein­er erhöht­en Bew­er­tungs­fre­quenz und Rück­nah­meliq­uid­ität sowie gerin­geren Kosten auswirken. Die Dig­i­tal­isierung kann im Tätigkeits­bere­ich der Fond­sleitung, Admin­is­tra­tion und beim Trans­fer Agent zu Prozes­san­pas­sun­gen führen. Diese wer­den die Unternehmensführung durch gran­u­lare, trans­par­ente, zeitun­ab­hängige Dat­en und Infor­ma­tio­nen weit­er stärken und gle­ichzeit­ig Effizien­zgewinne für Fonds-Spon­soren, den Ver­trieb und Anbi­eter von Asset Ser­vices real­isieren. Ein Beispiel dafür ist der lang­wierige und inef­fiziente KYC/AML-Prozess bei direkt im Trans­fer-Agent-Reg­is­ter einge­tra­ge­nen Inve­storen, wodurch kün­ftig auf eine wiederkehrende, lang­wierige Wieder­hol­ung des Prozess­es verzichtet wer­den kann.

Del Ciop­po: Inwieweit und in welchem zeitlichen Rah­men die Tech­nolo­gieen­twick­lung Ein­fluss auf Fond­skon­struk­tio­nen haben, müsste genauer unter­sucht wer­den. Tat­sache ist, dass wir uns in einem steten Wan­del befind­en, angetrieben auch durch per­ma­nente Anstren­gun­gen, Inef­fizien­zen abzubauen respek­tive auszuschal­ten und Prozesse zu opti­mieren. Tech­nolo­gie hil­ft auch in Sachen Kun­den­nähe: Im Falle der L‑QIF beispiel­sweise wird endlich Rück­sicht genom­men auf die Risikobere­itschaft und das Risikover­ständ­nis des qual­i­fizierten Anlegers. Wenn ver­mehrt Insti­tute Fond­sansteile «tokenisieren», dann wird es Anlegern ein­fach­er gemacht, sich ohne Involvierung Drit­ter an Fonds zu beteiligen. 

Schären: Sind Rechts­for­men flex­i­bel genug, kön­nen sie inno­v­a­tive Geschäftsmod­elle ermöglichen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Grund­satz der Tech­nolo­gien­eu­tral­ität der Reg­ulierung. Umgekehrt kön­nen eine Inno­va­tion und ein erhoffter ökonomis­ch­er Nutzen Anlass für eine Neukonzep­tion oder Flex­i­bil­isierung von Rechts­for­men sein. Dabei nimmt der Geset­zge­ber vielfach eine Abwä­gung zwis­chen etablierten Prinzip­i­en – ins­beson­dere dem Anlegerschutz – und dem Inno­va­tions­bedürf­nis vor. Bei vie­len Inno­va­tio­nen zeigt sich allerd­ings, dass Anlegerschutz und auf­sicht­srechtliche Flex­i­bil­ität nicht im Wider­spruch zueinan­der ste­hen müssen.

Betreffend Wesenszüge respektive traditionelle Charaktermerkmale von Kollektivanlagen können – um mit der Zeit zu gehen – durchaus auch einmal alte Zöpfe abgeschnitten werden. Dafür bräuchte es weitere Gesetzesanpassungen und entsprechend liberalere Aufsichtsbestimmungen. Viele der klassischen Wesensmerkmale offener Fonds wie etwa die Fremdverwaltung, die fehlenden Mitbestimmungsmöglichkeiten etc. könnte man doch auch einmal gründlich hinterfragen. Wo müsste man da ansetzen?

Schären: Begrif­fliche Wesens­merk­male von kollek­tiv­en Kap­i­ta­lan­la­gen kön­nen ein for­males Hin­der­nis sein, um eine Bewil­li­gung bzw. Unter­stel­lung zu erlan­gen. So ist etwa die Fremd­ver­wal­tung bei allen bewil­ligten kollek­tiv­en Kap­i­ta­lan­la­gen zwin­gend, so dass der Mitbes­tim­mung der Anleger Gren­zen geset­zt sind. Ausser­dem verun­möglicht die Kollek­ti­van­lagereg­ulierung inno­v­a­tive Geschäftsmod­elle im Dig­i­tal­isierungs­bere­ich – Stich­worte: Blockchain, DLT –, weil for­male und konzep­tionelle Anforderun­gen wie etwa die strik­te Depot­bankpflicht nicht umge­set­zt wer­den kön­nen. Das Kollek­ti­van­lagerecht muss sich den Bedürfnis­sen der dig­i­tal­en Finanzin­dus­trie anpassen. Dabei muss allerd­ings auch berück­sichtigt wer­den, dass sich bes­timmte Geschäftsmod­elle im Invest­ment-Bere­ich konzep­tionell nicht mehr im Gel­tungs­bere­ich des KAG befind­en. Die tra­di­tionellen Charak­ter­merk­male von kollek­tiv­en Kap­i­ta­lan­la­gen kön­nen hier­bei als wertvolle Abgren­zungsmerk­male dienen und insoweit Rechtssicher­heit bieten.

Wie müsste Ihrer Ansicht nach ein zukunftsträchtiger Fonds 2.0 aussehen? Worin würde er sich von traditionellen Fondskonstruktionen unterscheiden? Und was müsste geändert werden, um den Fonds und der Fondswirtschaft im Rahmen der ganzen Realwirtschaft mehr Geltung zu verschaffen?

Schären: Ein mod­ern­er Fonds würde wohl weit­ge­hend auf der Blockchain funk­tion­ieren. Dadurch wür­den viele tra­di­tionelle Inter­mediäre des kollek­ti­van­lagerechtlichen Ökosys­tems ent­behrlich – ich denke mitunter an die Depot­bank­funk­tion. Smart con­tracts kön­nten viele auf­sicht­srechtliche Funk­tio­nen übernehmen. Hierzu müssten tra­di­tionelle reg­u­la­torische Struk­turen angepasst und mod­ernisiert wer­den. Wo hier konkret ange­set­zt wer­den müsste, ist allerd­ings noch weit­ge­hend unklar.

Bekannt ist, dass Fondsleitungen ihre Kunden nicht kennen: Hat der Fonds 2.0 künftig vor dem Hintergrund all der vorab aus dem angelsächsischen Raum stammenden Transparenzerfordernissen nur noch rund ein Dutzend Anleger statt einer unbestimmten Zahl unbekannter Klein- und Kleinstanleger und damit künftig nur noch einen anzahlmässig limitierten Teilnehmerkreis – interessengebunden je nach Finanzierung oder Projekten?

Schären: Die Frage ist, wo allfäl­lige Trans­paren­zpflicht­en anknüpfen und ob sich dadurch für Fond­sleitun­gen zusät­zliche Verpflich­tun­gen ergeben. Auch tra­di­tionelle Verpflich­tun­gen beziehen sich mitunter auf die Ebene der Fond­sleitung – ich denke etwa an Art. 2 Abs. 2 lit. b GwG. Den­noch ist der beschriebene Trend unverkennbar. Je stärk­er Trans­paren­zpflicht­en zunehmen und je mehr sie sich auf die Ebene der Fond­sleitung ver­schieben, desto klein­er und dif­feren­ziert­er dürfte der Anlegerkreis werden.

Zweckgebundenheit im Rahmen der Finanzierung der Realwirtschaft: Der Anlagezweck leitet sich vom Finanzierungszweck ab. Anleger bestimmen mit und tragen Mitverantwortung. Ist das ein möglicher Lösungsansatz, um in breiten Bevölkerungskreisen mehr Vertrauen zu gewinnen?

Del Ciop­po: Die Finanzierung der Real­wirtschaft ist eine grosse Chance für die Fondsin­dus­trie, ihren Mehrw­ert nicht nur für die Inve­storen, son­dern auch für die Wirtschaft all­ge­mein zu beweisen. Ins­beson­dere im Bere­ich der Pri­vat­mark­tan­la­gen kann ein Fonds eine wichtige Alloka­tions­funk­tion wahrnehmen und Investi­tio­nen in wichtige Wach­s­tumsseg­mente lenken. Auch vor dem Hin­ter­grund der weit­er­hin stark wach­senden Beach­tung von ESG-Kri­te­rien lässt sich hier­bei ein Nutzen sowohl für die Inve­storen als auch für die All­ge­mein­heit generieren.

Können Sie das näher ausführen?

Del Ciop­po: Damit spreche ich vor allem Investi­tio­nen an, welche über KmGK erfol­gen. In der Schweiz gibt es einige solch­er Swiss Lim­it­ed Part­ner­ships, die beispiel­sweise im Bere­ich «Clean Ener­gy» kleinere inno­v­a­tive Fir­men durch Kap­i­tal­spritzen mit einem langfristi­gen Anlage­hor­i­zont unterstützen.
Schären: Zweck­ge­bun­den­heit im Rah­men der Finanzierung der Real­wirtschaft ist tat­säch­lich ein inter­es­san­ter Ansatz, den es weit­erzu­ver­fol­gen gilt. Die Mitbes­tim­mung des Anlegers ist allerd­ings durch die Fremd­ver­wal­tung begren­zt. Das schränkt auch die Mitver­ant­wor­tung der Anleger ein. Aus­geprägte Mitbes­tim­mung lässt sich inner­halb des Gel­tungs­bere­ichs des KAG zurzeit kaum real­isieren. Hier kön­nte allerd­ings eine mögliche Inno­va­tion anset­zen, indem eine frei­willige Unter­stel­lung ermöglicht würde.

Was ist aus Luxemburg zu berichten? War der RAIF die letzte erfolgreiche Innovation?

Schären: Der RAIF ist sicher­lich eine zen­trale Inno­va­tion der let­zten Jahre. Lux­em- burg wird in der Fond­sreg­ulierung auch weit­er­hin den Takt vorgeben, sodass weit­ere Entwick­lun­gen zu erwarten sind. Dabei gilt es aber zu berück­sichti­gen, dass die europäis­che Reg­ulierung ein­er zunehmenden Har­mon­isierung unter­wor­fen ist und den Mit­glied­staat­en immer weniger Gestal­tungsspiel­raum für lokale Lösun­gen lässt. Schliesslich ist die Inno­va­tion­skraft Lux­em­burgs zum Teil auch auf gün­stige steuer­liche Rah­menbe­din­gun­gen und nicht nur auf das Auf­sicht­srecht zurückzuführen.

Sagen Sie bitte noch etwas zum luxemburgischen RAIF: Gilt er als Vorbild für den L‑QIF?

Del Ciop­po: Das lux­em­bur­gis­che Par­la­ment ver­ab­schiedete im Juli 2016 das entsprechende Gesetz und schuf damit eine neue Anlage­form eines Alter­na­tiv­en Invest­ment­fonds. Der RAIF ist ver­gle­ich­bar mit dem L‑QIF und gilt als grosse Erfol­gs­geschichte. Im europäis­chen Rah­men qual­i­fiziert er als AIF gemäss AIFM-Richtlin­ie. Ver­wal­tet wer­den diese Fonds durch einen beauf­sichtigten AIFM. Reg­uliert ist er also lediglich via diese AIFM respek­tive dessen Man­age­ment Com­pa­ny. Der Schweiz­er L‑QIF lehnt sich tat­säch­lich stark an dieses Vor­bild an. Wir schätzen sehr, bald auch hierzu­lande unseren Kun­den der­ar­tige Fond­skon­struk­tion – mit Dom­izil Schweiz – anbi­eten zu können.

Ein Domizilplatz verkauft sich vorwiegend über seine Innovationskraft: Was könnte da für die Schweiz noch alles drin liegen?

Ste­fanes­cu: Der L‑QIF wird dafür sor­gen, dass der Schweiz­er Fonds­markt einen wesentlichen Teil seines struk­turellen Rück­stands gegenüber den aus­ländis­chen und ins­beson­dere dem lux­em­bur­gis­chen Fonds­markt wettmachen wird. Let­ztlich hängt der Erfolg des Schweiz­er Mark­tes aber nicht nur von den Möglichkeit­en auf der Struk­turierungs­seite ab, son­dern auch davon, wie offen Behör­den für neue Anlagekonzepte sind. So hat es in der Schweiz bis 2021 gedauert, bis wir den allerersten Pri­vate Debt Fund lancieren kon­nten. In diesem Sinne freuen wir uns auch in Zukun­ft auf eine kon­struk­tive Zusam­me­nar­beit mit den Behör­den, wo wir darauf hinar­beit­en, weit­ere inno­v­a­tive Anlagekonzepte möglichst zeit­nah in ein­er Fondsstruk­tur zur Lancierung zu bringen. 

Schären: Das Schweiz­er Kollek­ti­van­lagerecht hat sich in den let­zten Jahren stark weit­er­en­twick­elt. Die inter­na­tionale und europäis­che Recht­sen­twick­lung diente dabei als rechtsver­gle­ichen­der Ref­eren­zpunkt. Die Inno­va­tion­skraft allein ist für den Erfolg eines Fond­splatzes allerd­ings nicht entschei­dend. Die rechtliche Inte­gra­tion in den europäis­chen Bin­nen­markt bleibt auf­grund des fehlen­den Mark­tzu­gangs ein Prob­lem. Hier­bei han­delt es sich aber um eine poli­tis­che The­matik und nicht um eine Frage der Inno­va­tion. Hinzu kommt, dass die Schweiz auf­grund des europäis­chen Kom­pat­i­bil­itäts­drucks in die Har­mon­isierungs­dy­namik der EU ein­be­zo­gen wird, was in einen Nachvol­lzugs- Automa­tismus mün­den kann. Dies ver­ringert den Inno­va­tion­sspiel­raum der Schweiz.

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